DIE ZUKUNFT DES BÜROS

Lars Oliver Stapler im Gespräch mit:
Ulrich Bäcker, José Martinez und Raphael Gielgen

Fotos: Robertino Nikolic


Ende letzten Jahres forderte der Architekturjournalist Alexander Gutzmer in einem Essay für die Neue Zürcher Zeitung, dass auch nach zwei Jahren Homeoffice Unternehmen weiterhin Bürohäuser in den Städten bauen müssen, um in der Gesellschaft präsent zu bleiben. Hat das Homeoffice so sehr an den Grundfesten des Büros gerüttelt, dass ein Archetyp und damit ein Teil unserer Baukultur zu verschwinden drohen?

José Martinez (JM): Ich hoffe nicht! Wenn wir uns aber wie in den letzten zwei Jahren weiterhin in unsere Höhlen verkriechen, kann das theoretisch passieren. Ich mag mir nicht ausmalen, was das für uns Menschen, aber auch für unsere Städte bedeutet. Unsere Städte waren jahrhundertelang die Orte der Kommunikation, des Handelns, des Lebens und des Sterbens. Sie haben Kriege und Katastrophen überstanden und nun machen zwei Jahre Pandemie ihnen den Garaus – daran möchte ich nicht glauben! Damit es nicht so weit kommt, setze ich darauf, dass wir irgendwann erkennen und verstehen werden, dass Kommunikation und persönlicher Austausch wesentliche Grundbedürfnisse von uns Menschen sind und die Stadt ein wichtiger Ort für diesen Austausch ist. Und das verlangt, dass wir als Unternehmer und Unternehmen dort weiterhin investieren. Dann wird die Stadt vielleicht wieder zu dem, was sie früher war. Stadt bedeutet ja auch Routine oder Rhythmus – morgens ins Büro zur Arbeit, abends wieder zurück – und am nächsten Tag dasselbe Spiel. Davon lebt ein nicht unwesentlicher Teil der städtischen Gesellschaft.

Ulrich Bäcker (UB): Ich sehe das ähnlich. Es hat sich vieles verändert, wir werden weiter Einschnitte spüren und es wird nicht mehr so sein wie früher. Der Trend geht insgesamt zu weniger Fläche mit mehr Qualität. Wir waren bei unserem neuen Gebäude hier in Niederrad der Zeit schon etwas voraus und haben acht Arbeitsplätze für zehn Mitarbeitende vorgesehen. Die Pandemie hat uns darin bestätigt. Das ist aber nur das Vorspiel zu dem, was uns die nächsten Jahre noch erwartet. Der informelle Austausch funktioniert nicht von daheim übers Internet. Wir konnten auch beobachten, dass sich Mitarbeitende nicht mehr an besseren Kollegen:innen orientieren können. Da geht gerade ein bisschen Unternehmenskultur verloren. Deswegen haben wir und auch viele andere Unternehmen ein großes Interesse daran, dass die Menschen wieder zusammenkommen.

Holger Meyer (HM): Ich beobachte die zunehmend polarisiert geführte Debatte, wo und wie wir zukünftig arbeiten werden, mit großem Interesse. Noch Mitte vorletzten Jahres war es Konsens, dass am besten alle von daheim arbeiten. Mittlerweile mehren sich jedoch die Stimmen, die betonen, welche Qualität es hat, wenn man wieder live zusammenarbeitet. Unternehmen müssen etwas tun, um ihre Mitarbeiter wieder ins Büro zu bekommen. Momentan agieren viele Firmen da noch eher hilflos: Von klassisch bis zum Verhältnis von 50:50 bei Kollaborations- und Teamflächen und Arbeitsplätzen ist alles dabei. Daran erkennen wir, dass die Suche nach einer Antwort auf diese Frage begonnen hat. Da gibt es momentan aber keine Lösungen „out of the box“.

Raphael Gielgen (RG): Ich behaupte einmal, es wird in Zukunft eine neue Assetklasse geben. Das ist wie mit der Schreibmaschine, die ist nicht über Nacht aus den Büros verschwunden, aber irgendwann war sie weg. Wir werden schon in der zweiten Hälfte dieser Dekade Projekte sehen, die man nicht mehr nur der Assetklasse Büro zuordnen kann. Von daher denke ich, dass das klassische Büro als Bautypologie verschwinden wird, weil es aus meiner Sicht falsch gedacht wurde. Ich habe einmal für einen geschlossenen Immobilienfonds sogenannte Shark Tank Sessions organisiert, in denen Szenarien zukünftiger Entwicklungen mit Fachleuten gematcht wurden. Einer der Matchpartner war Julia Erdmann von „JES Socialtecture“ und sie definierte weite Teile des Fondsportfolios als reine Finanzprodukte, die als solche gedacht und aufgesetzt und nicht aus der Idee einer Architektur für Menschen entwickelt wurden. Der Mensch war bei der Entwicklung der Produkte nebensächlich und darum sehen viele Gebäude und Plätze so aus, wie sie heute aussehen.

UB: Früher saßen 60 Leute in einem Raum vor ihren Schreibmaschinen – heute machen Roboter und KI den Job. Diesen Impact darf man nicht vergessen.

RG: Die Automatisierung der Wissensarbeit wird aber nicht aufzuhalten sein. Und für die Generation nach uns ist das auch kein Horrorszenario. Die arbeiten heute doch schon so selbstverständlich mit digitalen Tools und viel kontextueller. Die sind über den Screen konditioniert, über viel mehr visuelle Inhalte. Und das sind im Prinzip die neuen Räume von morgen. Was bieten wir diesen jungen Menschen an? In Frankfurt gibt es jetzt das SPARK, eine Immobilie für das ganze Thema VR-Conferencing und hybrides Arbeiten. Ein ganzes Haus, randvoll mit Technik und riesigen Videowänden, auf denen der Kontext einer Fragestellung direkt visualisiert werden kann. Das wird ein zentrales Thema des Arbeitens von morgen sein.

JM: Ich habe das Gefühl, dass die Welt sich etwas schneller dreht als bei uns hier in Deutschland. Die Digitalisierung ist an so vielen Stellen noch eine Herausforderung. Da haben wir international den Anschluss verloren. Ich glaube aber fest daran, dass uns in dieser Diskussion mehr und mehr bewusst wird, dass WIR eigentlich das Maß der Dinge sind. Wenn das verloren geht, dann werden wir umso schneller ins Metaverse verschwinden.

Gregor Gutscher (GG): Es geht um den Entwurf eines Gegenpols zur digitalen Arbeitswelt. Wir arbeiten zukünftig in Echtzeit in voll digitalisierten Räumen mit riesigen Monitoren, in AR und VR. Da sind dann Tischtennis, Minigolf oder eine Terrasse das Real Life, wo ich mal Menschen treffe. Ich vergleiche das gerne mit dem Biedermeier. Das entstand als Gegenbewegung zur Industrialisierung, um Natur und Natürlichkeit um mich zu haben und nicht immer nur die rauchenden Schlote.

JM: Es ist die Sehnsucht nach was Echtem, was, das man anfassen und riechen kann; jemanden in echt zu treffen und ob mich die Aura packt oder auch nicht. Wir entscheiden so viel über unsere Sinne. Das geht online alles verloren. Genau wie der Respekt. Ich zolle meinen Kolleginnen und Kollegen Respekt, wenn ich dorthin komme, um sie zu treffen und mich mit ihnen auseinanderzusetzen. Ich trage auch eine Krawatte, weil ich Respekt zollen möchte.

RG: Respekt – schönes Bild. Wolfgang Grupp, der Inhaber von TRIGEMA, war neulich bei Philipp Westermeyer im Podcast. Der ist immer wie aus dem Ei gepellt. Danach gefragt, antwortete er: Meine Kleidung ist eine Geste des Respekts Ihnen gegenüber, das mache ich auch für meine Mitarbeitenden. Das Kleiden und Ins-Büro-Kommen hat etwas mit der Wertschätzung des Gegenübers zu tun. Ich sehe das als Chance, aber auch als gesellschaftliche Herausforderung. Ich war jüngst in Japan. Die Japaner haben in vielen Bereichen einen wunderbaren Konsens, eine gesellschaftliche Grundordnung, was dem Land in sich Stabilität gibt. Uns geht das zunehmend verloren, weil wir uns mehr und mehr zu einer Gesellschaft aus Individualisten entwickeln. Wo soll da Respekt noch herkommen? Da ist das Kollektiv, das Team, gefragt.

HM: Wir haben es ja selbst erlebt, was ausschließliches Remote-Arbeiten anrichten kann. Da gehen zum einen viele Details verloren, aber aufgrund der Distanz sind Sachen passiert, die live so nicht passiert wären. Es braucht die physische Begegnung, um auch Aggressionen, Schwierigkeiten, Kommunikationsprobleme abzubauen, indem man sich einfach zusammensetzt. Über ein elektronisches Medium funktioniert das nicht.

UB: Das beobachten wir schon länger in der elektronischen Kommunikation. Da sind die Hemmschwellen schon recht niedrig und wenn es stressiger wird und der Druck wächst, nimmt das zu. Ich sag dann immer: Hört auf mit den E-Mails, setzt euch zusammen und sagt euch die Meinung ins Gesicht – das wird dann respektvoller.

JM: Vielleicht ist das neue Asset das, was wir heute unter dem Begriff „Quartier“ verstehen. Ein gutes Quartier bietet seinen Bewohnern und Nutzern alle Möglichkeiten zur Entfaltung. Das müssen wir auf Gebäude übertragen. Bei großen Entwicklungen, wie zum Beispiel beim FOUR in Frankfurt, haben wir das. Da haben wir aber auch alles an einem Ort und selbst da haben wir sehr darauf geachtet, wie sich das später in die Stadt einfügt. Wichtig ist, dass solche Gebäude in ein Umfeld eingebettet sind und man sich sehr genau anschaut, was drumherum im Angebot ist. Das, was man mit einem neuen Projekt kreieren muss, ist ein Mehrwert, der kuratiert werden muss. Wie das aussieht, wenn das nicht geschieht, haben wir früher hier in der Bürostadt Niederrad gesehen, aber das hat sich ja zum Glück schon verändert. Da investieren die Unternehmen, die den lokalen Markt gut kennen, wahrscheinlich nachhaltiger als irgendwo sonst. Bei uns sind immer mehr Häuser in der Entwicklung, die einen wesentlichen gesellschaftlichen Beitrag in ihrem Quartier leisten.

„ES IST TRAURIG, DASS MAN JAHRZEHNTE NICHT AN DIE NACHBARSCHAFTEN GEDACHT HAT UND JEDER NUR SEIN ZEUG REINGEROTZT HAT.“

RAPHAEL GIELGEN



„DER MENSCH MUSS PHYSISCH INTERAGIEREN, UM ERFOLGREICH ZU SEIN.“

ULRICH BÄCKER


RG: Das Quartiersthema finde ich super treffend. Aber was passiert dann zukünftig in den ganzen Büros? Wir werden mehr an neuen Geschäftsmodellen arbeiten und Organisationen neu erfinden und der Inhalt der Arbeit bestimmt, wie die Büros aussehen werden. Die Transformation der Wirtschaft ist die neue Herkulesaufgabe. Das System Stadt muss in Städten wie Frankfurt neu gedacht werden und dafür müssen Entwickler, Architekten und alle Stakeholder im Prozess mit der Stadt an einen Tisch. In Singapur hat man das mit der Pandemie pragmatisch umgesetzt, weil plötzlich Einheimische die Jobs gemacht haben, die zuvor Europäer, Amerikaner und Australier gemacht hatten. Die haben sich gefragt: Wie muss unsere Stadt zukünftig funktionieren? Wo wird produziert, wo wird gelernt, wo wollen wir leben? Die ganze Stadt wurde neu strukturiert. Und das ist eine geniale Grundlage für alle nachfolgenden Akteure. Wie wäre es denn, wenn man so ein Gedankenmodell auf Frankfurt überträgt und diese Quartiersidee über die ganze Stadt ausrollt und daraus eine Art Masterplan macht? In Singapur gibt es dann keine Single-Tenant-Häuser mehr, sondern alles ist durchmischt.

GG: Menschen brauchen seit jeher eine gewisse Struktur zur Erledigung ihres Tagwerks. Wir haben im Laufe der Zeit gelernt, in eingespielten Rhythmen zu leben und zu arbeiten. Das hat sich jetzt radikal verändert und dafür braucht es neue Räume und Orte. Wie hat sich das entwickelt? Als Marktplatz, ein Forum, an dem verschiedenste Funktionen angelagert waren. Wir brauchen jetzt wieder Orte, an denen wir zusammenkommen, ob zum Arbeiten oder Wohnen oder Feiern. Sowas kann mal über den Äther funktionieren, aber halt nicht nur.

UB: Heute ist in erster Linie Urbanität im Gebäude gefragt und gerne auch banale Sachen wie Fenster, die geöffnet werden können. Diese Themen kamen auch bei ESG und Nachhaltigkeit immer mehr in den Fokus.

JM: Ich habe gerade wieder ein ESG-Anforderungsprofil vorliegen, in dem eine wesentliche Komponente des „S“ zu öffnende Fenster in den Büros sind, weil das jeder individuell steuern kann. Aber dass Nachhaltigkeitsaspekte in den Vordergrund bei den Entscheidungen treten, das ist eine recht junge Entwicklung.

RG: Ich war im September vorletzten Jahres in New York und habe mit Researchern aus der Immobilienbranche über die Situation dort gesprochen: Das Durchschnittsalter aller Büroimmobilien liegt dort bei 80 Jahren. Die Branche erwirtschaftet zurzeit aber 70 Prozent der Erträge mit nur 40 Prozent des Immobilienbestands. Diese 40 Prozent sind neue Gebäude oder neue Quartiere, die nach 9/11 entstanden sind. Immer gefragt sind auch die Iconic Buildings. Die haben mittlerweile so hohe Nachhaltigkeitsstandards, dass die immer gehen. Deren größtes Problem ist, dass die alten Gebäude so niedrige Deckenhöhen, so große Gebäudetiefen und Footprints haben, dass es für die keinerlei Nachnutzung gibt. Bloomberg hat Gensler damit beauftragt, wie man das hacken kann. Ein Teil dieser Immobilien sind sogenannte „Stranded Assets“. Und die sind dann ein Problem für alle, Besitzer, Unternehmen, Stadt, Bevölkerung – die müssen alle an einen Tisch! Das könnte man auch mal anders aufziehen. Mit mehr Beteiligung der Bevölkerung. Also einen Hackathon – Hack the City. Fände ich cool.

HM: Da sind wir wieder bei dem Masterplan. Das ist eigentlich das Thema dahinter. Die neue Assetklasse war das Stichwort, Büros in der Form, wie wir sie kannten, wird es nicht mehr geben. Wir haben aber eine Menge an Flächen, egal ob wir sie jetzt Büro nennen oder nicht, die wir nicht mehr brauchen werden.

UB: Die Stadt Frankfurt am Main, das Deutsche Architekturmuseum und wir haben gerade den internationalen Hochhauspreis an ein Refurbish-Neubauprojekt in Sydney vergeben. Da sieht man schon, wo die Richtung hingeht – die Kombination aus Alt und Neu. Alte Dinger runterstrippen und neue Gebäude daraus kreieren. Es wird natürlich immer auch neue Gebäude oder Gebäudeteile geben, weil das, was du haben willst oder brauchst, als Revitalisierung vielleicht nicht oder nur in Teilen funktioniert. Ergänzend gibt es den Assettausch – Bürobestand wird abgerissen, dafür werden Wohnungen gebaut, die wir dringender brauchen. Bestes Beispiel ist die Bürostadt Niederrad, wo politisch gewollt auf einmal Wohnen zwischen den Bürohäusern entsteht und damit die Urbanität Einzug in das Quartier hält.

HM: Wir haben uns ja schon lange vor Corona mit hybrideren Gebäudenutzungen beschäftigt, da sich auch in anderen Bereichen ein Wandel in den Städten abzeichnete. Allein durch den Einbruch des innerstädtischen Einzelhandels stehen plötzlich große Flächen an isolierten innerstädtischen Standorten zur Verfügung. Wir werden uns auch über diese Flächen Gedanken machen und auch für diese Orte hybride Systeme entwickeln, die eine ganz andere Qualität von Arbeiten und Leben gewährleisten.


„BÜROGEBÄUDE OHNE INDIVIDUELL ZU ÖFFNENDE FENSTER HABEN MITTLERWEILE EIN PROBLEM.“

JOSÉ MARTINEZ

Wie wichtig ist es denn aus Ihrer Sicht, Öffentlichkeit in einem Bürohaus zuzulassen?

JM: Das ist der Schlüssel. Die Erdgeschosse müssen sich öffnen und zu Kommunikations- und Interaktionszonen werden. Es müssen lebendige Orte mit verschiedenen Angeboten innen und außen entstehen. Das muss sich durchmischen.

UB: Das geht aber nur in der Stadt, wo das Umfeld stimmt. Draußen, wie jetzt hier in Niederrad, ist das noch eher schwierig. Der Mix aus Wohnen, Büro und Dienstleistungen muss sich erst entwickeln. Das ist wie bei den Shoppingcentern aus den 80ern, die draußen auf der Wiese wuchsen. Zuerst gab es nur Läden. Da kam dann ein Food Court dazu und irgendwas zur Freizeitgestaltung: Kinos, Kartbahnen, Bowling, damit aus dem Ausflug zum Shoppingcenter ein Erlebnis wurde. So muss man das bei Büros heute denken.

HM: Das wird in Büros nur anders funktionieren. Im ersten Schritt hat man jetzt in den Büros andere Orte geschaffen. Ob Gaming Lounge oder Tischkicker. Es geht darum sich auszutauschen und mal etwas anderes zu machen, sich gegenseitig mitzureißen. Und das muss auf die hybriden Systeme der Zukunft übertragen werden. Bei Mind Space in Tel Aviv war ich bei einer Art Convention dabei: Da saßen die Geschäftsführer und Gründer von 20 völlig unterschiedlichen Start-Ups der Barclays Bank und haben ihre Ideen und Ziele präsentiert und diskutiert, mit 360-Grad-Feedback. Diese Offenheit, die bedingt ein anderes Mindset und auch besondere Orte, die dazu einladen, Wissen zu teilen. Das sind meiner Meinung nach die neuen Assetklassen von Gebäuden.

JM: Da hat sich hier bei uns in den letzten Jahren aber auch schon viel verändert. Früher stand in der Excel-Tabelle: 60 Einzelbüros, 20 Doppelbüros, 70 Großraumbüros für X Leute. Da gab es kein Konzept, geschweige denn Kollaborationsflächen oder einen durchdachten Style wie hier bei der Deka. Hier ist das ja alles in unterschiedlichen Setups umgesetzt: mal ein runder Raum, mal Stehtisch, mal höhenverstellbar, mal ein langer, mal ein U – für unterschiedliche Situationen das jeweils optimale Umfeld. Das ist genau das, was man braucht.

UB: Aber die entscheidende Frage ist doch: Was biete ich meinem Team, was wollen die Menschen? Wo und wie wollen sie zusammenkommen? Eben nicht nur in einem Büro, sondern da, wo was passiert. In Flächen, die so ein bisschen spacy sind, damit sie kreativ arbeiten können.


„DIE BÜROWELT VON HEUTE IST EIN BUNTER MIX, NICHT MEHR NUR MONO.“

ULRICH BÄCKER


JM: Es muss alles Hand und Fuß haben, durchdacht sein, damit das Gesamtkonzept funktioniert. Nur ein schickes Vitra-Möbel hilft da nicht. Nein, ich muss da Herz reinbringen. Deswegen sind Angebote, die einen Mehrwert schaffen, ausschlaggebend. Wenn die Menschen sich wohlfühlen, ist jeder Cent in die Ausstattung gut investiert. Und das sind die wichtigen Dinge, über die sich Arbeitgeber mehr Gedanken machen sollten. Wie hier, bei der Deka, die ihren Mitarbeitern nicht nur schicke Räume anbietet, sondern dem gesamten Gebäude eine Seele einhaucht und alle willkommen heißt. Und das Büro ist da meines Erachtens nur ein Aufhänger von vielen. Es geht um das soziale Netz des Unternehmens. Homeoffice ist ein weiterer Aspekt und hat nicht erst seit Corona seine Legitimation, es wird jetzt nur mehr diskutiert.

UB: Daher glaube ich auch, das Büro wird nicht aussterben. Es wird nur anders aussehen. Er wird offener, kommunikativer und agiler. Stupide Büroarbeit war heute sind das alles High Potentials, die arbeiten zwei, drei Stunden auf 150 Prozent und dann brauchen sie Phasen, in denen sie runterfahren können. Im Team richtig Gas geben als gemeinsames Erlebnis und danach eine Runde Dart oder Tischtennis. Auch das ist agiles Arbeiten. Es ist also gar nicht die Frage des Gebäudes als solches, sondern die der Aufteilung und der Arbeit, die darin stattfindet. Nicht wie früher 80 Prozent und bisschen Casino drumherum, sondern nur noch 50 Prozent und der Rest ist Kommunikation, Agilität und auch Leisure. Teambuilding – das macht man nicht am Bildschirm, das macht man live. Man braucht etwas Gemeinsames, das das Team nach vorne bringt, und dafür braucht man Räume, die über das rein Geschäftliche hinaus etwas bieten.

JM: Und wer bezahlt das alles?

HM: Da mache ich mir weniger Sorgen. Unternehmen machen immer das, was sie aus rein ökonomischer Sicht machen müssen. Jetzt stellen sich Unternehmen halt die Frage, was sie ihren Mitarbeitern bieten müssen, damit sie sie auswählen. Das ist der War for Talents und das ist der Antrieb.

UB: Es wird kleiner, effizienter und dadurch günstiger. Machen viele Unternehmen schon: Flächen reduzieren und neu aufteilen. Statt von 100 auf 50 runterzugehen, bleiben sie bei 75 Prozent, und diese 25 Prozent mehr werden der Kommunikation, Interaktion und Agilität gewidmet, sodass sie einen Mehrwert generieren.

HM: Es wird aber auch Unternehmen geben, die werden weiterhin 100 Prozent für 75 Prozent Fläche zahlen, weil sie eine bessere Lage und eine bessere Qualität bekommen und das ihrem Business Case mehr nutzt. Es geht nicht vorrangig um Kostenreduktion, sondern um ein Haus mit besseren Qualitäten.

UB: Einer unserer Mieter in London hat einige Hotelzimmer in seinen Flächen integriert, wo die Mitarbeiter auch übernachten können, wenn es mal später wird. Wir differenzieren sehr zwischen Büro und Zuhause. Da gibt es eine klare Grenze. Was zum Beispiel Google in Chicago macht, zeigt Alternativen auf: Da wurde in einer vernachlässigten Gegend ein neuer Bürokomplex gebaut. Drumherum haben sie ganze Stadtteile aufgekauft und renoviert, um die fähigen Leute dahin zu bekommen. Und das ist dann so ein Quartier, eine Arbeitswelt in der Mitte und rundherum Wohnen. Nicht unter einem Dach, aber in der Nähe – kurze Wege.

JM: Damit gibst du der Stadt, dem Viertel ja auch etwas zurück, wertest es auf. Ein Café, gute Wohnungen und die Stadt sorgen für eine gute Infrastruktur. Das ist ganz wichtig.

UB: Urbanität gepaart mit bezahlbarem Wohn- und Arbeitsraum, das geht heute in den großen Wirtschaftszentren fast gar nicht mehr, egal ob Frankfurt, New York, Chicago, Paris, London. Das ist viel zu teuer. Also muss man raus aus der Stadt, aber da kommt die Infrastruktur nicht nach. Wo treffen wir uns in 15 Jahren und schauen, wie es sich entwickelt hat?

JM: Hoffentlich wieder hier.

RG: Unsere Generation verlangt, dass wir uns physisch treffen.

HM: Der Zuzug in die Städte wird weiter anhalten. Das Wohnungsproblem wird bleiben und sich verschärfen. Die breite Masse wird nicht die Möglichkeiten haben, von zu Hause zu arbeiten. Die räumlichen Voraussetzungen sind in dem Maße gar nicht vorhanden, wie das heute in vielen Artikeln geschrieben wird. Ich glaube, da wird wahnsinnig viel passieren. In 15 Jahren werden wir etwas Hybrides haben, zwischen Wohnen und Büro, was außerhalb der Unternehmen stattfindet. Orte, wo wir eher kollaborativ zusammenkommen, wo wir in der Freizeit auch mal arbeiten können.

UB: Ich glaube nicht, dass sich in 15 Jahren so dramatisch viel verändern wird. Man wird den Trend, der sich heute abzeichnet, weiterführen und optimieren, dass es aber komplett anders wird, glaube ich nicht. Wir Menschen wollen zusammenkommen.

Vielen Dank für das interessante Gespräch.