Interview: Lars Oliver Stapler
Fotos: Robertino Nikolic

Wir trafen Reinhold Knodel im Münchner Werksviertel zu einem Gespräch über die Lage der Wohn- und Büroimmobilienwirtschaft nach Corona und im Zeichen von ESG und EU-Taxonomie.

Reinhold Knodel, Vorstandsvorsitzender und Alleinaktionär der PANDION AG
Auf eine Zimmermannslehre und den Beruf als Polizist folgte für Reinhold Knodel ein Betriebswirtschaftsstudium mit Vertiefungsrichtung Immobilienwirtschaft der Grundstein für die Gründung der PANDION Real Estate GmbH sowie weiterer Tochterunternehmen. Diese brachte Knodel 2007 in die Kölner PANDION AG ein, die heute zu den führenden Projektentwicklern in Deutschland zählt. Knodel ist Mitglied im Kuratorium des Real Estate Management Institute der European Business School, Mitglied im Kommunalrat und im Arbeitskreis Projektentwicklung des Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) sowie im Verein „Die Familienunternehmer“.


DIE STADT IST NICHT TOT - SIE VERÄNDERT SICH


Herr Knodel, Ihr Unternehmen, die PANDION AG, startete 2002 als reines Wohnungsbauunternehmen. Sie haben sich in den letzten Jahren aber mit der Entwicklung von Büroimmobilien ein zweites Standbein erarbeitet. Aktuell plant holger meyer architektur für Sie mit dem „OFFICEHOME Beat“ und dem „OFFICEHOME Soul“ zwei Gewerbeimmobilien im Werksviertel München. Was versprechen Sie sich vom Büromarkt der Zukunft? Wie wird er sich entwickeln?
Reinhold Knodel (RK): Ein Schwerpunkt von PANDION liegt heute in der Entwicklung von innerstädtischen Quartieren. Das sind in der Regel heterogene Strukturen, in denen die beiden Assetklassen Wohnen und Büro eng miteinander verknüpft sind, insbesondere, wenn wir von der urbanen Entwicklung sprechen. Eine ganzheitliche Quartiersentwicklung bedingt aus meiner Sicht eine gegenseitige Berücksichtigung sowohl von Gewerbe als auch Wohnen. Daher haben wir uns vor sieben Jahren dazu entschieden, intensiver in den Gewerbemarkt einzusteigen. Vor fünf Jahren haben wir begonnen, ganz gezielt Gewerbeprojekte einzukaufen, unabhängig von unseren eigenen Quartiersentwicklungen. Das erklärt, warum PANDION das Thema Büro weiter forciert. Der Wohnanteil ist heute zwar auf der Invest-Seite noch dominant, aber unsere bilanz- und liquiditätswirksamen Erträge kommen inzwischen bis zu 60 Prozent aus unseren Officeprojekten. Daher hat diese Assetklasse für uns eine sehr große Bedeutung und wir schätzen die Zukunft des Büromarkts auch weiterhin positiv ein – sowohl im Mietals auch im Investmentmarkt. Wenn wir heute ein wohnwirtschaftliches und ein Büroprojekt angeboten bekommen, würden wir dem Büroprojekt den Vorzug geben. Wir haben letztes Jahr größtenteils Gewerbeprojekte erworben. Dass dieser Schritt richtig war, beweist auch das „OFFICEHOME Soul“ hier im Werksviertel München. Wir haben es 2018 als reines Wohnprojekt eingekauft. Über den Bebauungsplan gab es dann eine rechtliche Auseinandersetzung, in der wir zwei Jahre für die Erstellung eines wohn- und sozialfähigen Bebauungsplans gekämpft haben – jedoch ohne Erfolg. Jetzt realisieren wir hier zusammen mit dem „OFFICEHOME Beat“ zwei Gewerbeprojekte. Im Nachhinein betrachtet hätte uns nichts Besseres passieren können.



Sie haben für Ihre Büroimmobilien den Begriff „OFFICEHOME“ geprägt. Was steckt dahinter?

RK: Die Pandemie hat die Arbeitswelt verändert und das hat aus unserer Sicht auf der konzeptionellen Seite Konsequenzen für das Büro. Unsere Antwort ist das „OFFICEHOME“, ein Ausblick auf das Büro von morgen, in dem Komponenten aus dem Wohnen ins Büro integriert werden, um dem Arbeitsplatz mehr Atmosphäre und Persönlichkeit zu geben. Was mich irritierte, war die oft geäußerte Vorstellung, dass wir künftig gar keine Büros mehr brauchen, weil das Homeoffice den Büroarbeitsplatz ersetze. Wie soll das funktionieren? Das Homeoffice hat natürlich seine Berechtigung – für ein paar Tage. Aber die Unternehmen, die in der Pandemie ihre Belegschaft mit viel Euphorie ins Homeoffice geschickt haben, werden das letztendlich an der Produktivität spüren. Diese Unternehmen kämpfen jetzt darum, ihre Mitarbeiter wieder zurück ins Büro zu kriegen. Aber das ist leider gar nicht so einfach. Das Büro hat seine Berechtigung in Sachen Produktivität, ist aber insbesondere bei Themen wie Kommunikation und Socializing ein ganz wesentlicher Baustein für den Unternehmenserfolg. Wenn ich beispielsweise an die Arbeit von Architekten denke: Kreativität kann digital doch gar nicht oder nur eingeschränkt stattfinden.

Holger Meyer (HM): Als Architekt kann ich bestätigen – das funktioniert so nicht. Es fehlt der direkte und spontane Austausch, das, was Teamarbeit eigentlich ausmacht und über „Teams“ nicht funktioniert. Auch bei einigen unserer Kunden sehen wir da massive Probleme: Ich war neulich bei der Deka in Niederrad, für die wir aktuell in Frankfurt ein neues Haus mit 3.500 Arbeitsplätzen gebaut haben. Ich kam an einem Montagvormittag und es waren nur knapp 800 Personen eingeloggt. Das Management erzählte mir, welche Probleme sie haben, die Leute am Montag und am Freitag ins Büro zu bekommen. Mittlerweile gibt es schon Besucher, die kommen nur am Montag oder Freitag, weil da weniger Verkehr ist.

RK: Das ist der Punkt, warum wir gesagt haben, wir verbinden unsere Erfahrung aus dem Wohnungsbau mit unserer Expertise aus dem Gewerbesegment, nennen das „OFFICEHOME“ und schaffen damit zwei wesentliche Argumente pro Büro: Das „OFFICEHOME“ vereint das Gute aus beiden Welten und bietet in der Regel einen professionelleren Workaround als der Küchentisch daheim. Dann fährt der Mitarbeiter lieber wieder ins Büro. Denn da trifft er seine Arbeitskollegen live in der Lounge auf einen Kaffee oder nach Feierabend auf ein Bier und vor der Tür lockt das urbane Leben. Für mich persönlich klingt das erst einmal interessanter, als irgendwo daheim am Stadtrand in der Küche zu sitzen. Der zweite Aspekt ist der War for Talents. Dafür brauchen Unternehmen auch attraktive Räume. Für die junge Generation gerät das Monetäre immer mehr aus dem Fokus. Für sie sind Soft Skills wichtiger. Die entscheiden dann darüber, wer der künftige Arbeitgeber ist. Das muss der Arbeitsplatz beantworten. Und ein wesentlicher Faktor ist die Atmosphäre. Oder, wie meine Tochter sagen würde, „der Vibe“.

Gregor Gutscher (GG): Als Architekt frage ich mich natürlich, was passiert jetzt im Wohnungsbau, den wir in den letzten Jahren ja flächenmäßig immer mehr optimiert haben? Welche Auswirkungen hat das denn auf die Wohnungen und auf die Wohngebäude? Wenn Leute, die weit draußen wohnen, nicht jeden Tag in die Stadt fahren, aber auch nicht daheim am Küchentisch arbeiten wollen, braucht es doch etwas dazwischen. In Gmund am Tegernsee ist mir ein erster Co-Working-Space im ländlichen Bereich aufgefallen. Da habe ich dann diese Qualitäten. Ich verbringe konzentriert meinen Homeoffice-Tag dort und ich treffe Leute. Aus meiner Sicht hat sowas Konsequenzen auf das, wie wir zukünftig Wohnungsbau denken und konzipieren müssten.



„Nur weil jetzt Homeoffice in Mode ist, hat keiner einfach mal so 150.000 Euro mehr Kapital.“



RK: Co-Working Units im Quartier oder wie hier in abgelegenen Gebieten sind aus meiner Sicht ein richtiger Ansatz. Sie bieten die Chance, in professioneller Atmosphäre und mit entsprechender technischer Infrastruktur den Homeoffice-Tag zu verbringen. Das ist als Ersatz für den Küchentisch sicher gut, löst aber nicht das Problem des fehlenden spontanen Austauschs mit den Arbeitskollegen im Unternehmen. Es geht ja nicht nur darum, dass der Mitarbeiter vereinsamt, sondern darum, dass er mit den Kollegen in einen fachlichen Austausch tritt, der ihn produktiver arbeiten lässt und den Prozess nach vorne bringt. Im Coworking-Space trifft er eher zufällig jemanden aus einer anderen Branche. Die Wahrscheinlichkeit, dass das produktive Gespräche sind, ist doch eher gering. Was wir aber seit zwei Jahren ständig hören, ist, dass der Wohnungsbau komplett umgekrempelt werden muss und dass alle Wohnungen ein weiteres Zimmer als Homeoffice brauchen.

HM: Dann müssen wir jetzt nur noch klären, wer das Zimmer bezahlt.

RK: Richtig, ein nicht unwesentlicher Punkt! Dass Wohnungen in den Städten immer kleiner wurden, hat ja einen bekannten Grund. Es fehlt in urban verdichteten Regionen an Baugrund, dadurch steigen die Preise der Baugrundstücke und so steigen auch die Quadratmeterpreise stetig weiter und die Wohnungen werden kleiner. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Natürlich würde sich in München jeder eine Wohnung mit einem Zimmer mehr wünschen. Aber nur weil jetzt Homeoffice in Mode ist, hat keiner einfach mal so 150.000 Euro mehr Kapital zur Verfügung. Die Moderne postulierte die räumliche Trennung zwischen Leben, Wohnen und Arbeiten. Neuere und nachhaltigere Konzepte wie die 15-Minuten-Stadt führen diese Bereiche wieder zusammen. Welchen Einfluss habe solche Ideen auf Ihre Entwicklungen?


RK: Diese Idee ist klug und hat ihre uneingeschränkte Berechtigung. Ein lebendiges Quartier hat für mich eine unvergleichbare Qualität. Wir entwickeln zurzeit in Köln einen riesigen, innerstädtischen ehemaligen Schrottplatz, das sogenannte Max-Becker-Areal. Und natürlich können wir dort alle Bereiche des urbanen Lebens abbilden: Wohnen und Büro, Schule und Kindergarten, kleinteiliger Einzelhandel und Nahversorgung. Und auch Kunst und Kultur. Daran arbeiten wir und das werden wir auch umsetzen. Dazu gehört auch ein nachhaltiges Verkehrskonzept. Denn das beste Konzept ist eines, das Verkehr im Quartier erst gar nicht entstehen lässt.

Welche Verantwortung haben aus Ihrer Sicht denn die Politik und die Städte bei der Entwicklung zukünftiger Wohn- und Arbeitswelten?

RK: Der Einfluss von Politik und Verwaltung auf die Immobilienwirtschaft wird zuweilen doch etwas überschätzt. Die können da gar nicht so schrecklich viel machen. Bestes Beispiel: Die Bundesregierung hatte sich 2022 das Ziel gesetzt, 400.000 Wohnungen zu bauen. Grundsätzlich finde ich das großartig und das ist ein sehr weiser Beschluss. Aber wie kann die Bundespolitik dafür sorgen, dass diese Wohnungen auch wirklich entstehen? Die Bundesregierung kann lediglich im Rahmen der Bundesgesetzgebung Einfluss auf die Wohnungswirtschaft nehmen. Auf kommunaler Ebene sind die Themen Baurechtschaffung, Erschließung und Anbindung angesiedelt. Damit sind die Handlungsspielräume im Wesentlichen skizziert. Aus meiner Sicht ist es eher die Immobilienwirtschaft, die Leben und Qualität von Quartieren und Häusern über Nutzungskonzepte einbringen kann.

RK: Ich glaube, da sind wir ganz gut aufgestellt. Wir haben mit der PANDION Engineering eine eigene Tochtergesellschaft gegründet, die sich explizit mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt. Wir sind Mitglied in etlichen Organisationen, die in dem Bereich forschen. Daraus ziehen wir unsere Erkenntnisse und geben sie dann entsprechend weiter. Das Thema ESG und Taxonomie ist absolut gesetzt. Alles, was dort sinnvoll machbar ist, machen wir. Wir haben eigene Teams, die sich nur damit beschäftigen. Die halte ich an, nach Themen zu schauen, die einen tatsächlichen nachhaltigen Wirkungsgrad haben im Sinne einer Verbesserung, sei es beim CO2-Ausstoß oder beim Material- und Rohstoffverbrauch. Und deshalb haben wir uns jetzt auch an der Madaster-Datenbank beteiligt, um einfacher erfassen zu können, welche Materialien in dem Gebäude enthalten sind und wie diese wiederverwertet werden können. Das sind die Themen, die uns wirklich umtreiben. Aber vieles, was gerade im Bereich Nachhaltigkeit passiert, ist für mich nur plakativer Aktivismus. Zum Beispiel grüne Fassaden – gerade sehr angesagt, nur die Energiebilanz ist negativ und der oft ins Feld geführte Beitrag für das Mikroklima gleicht das nicht aus. Deswegen muss man immer den Sinn jeder Maßnahme hinterfragen. Das gilt auch beim Refurbishment. Das nachhaltigste Gebäude ist jenes, welches 200 Jahre erhalten bleibt. Leider haben Gewerbeimmobilien heute eine Lebenserwartung von nur 30 bis 40 Jahren. Gebäude, die wir heute für neue Projektentwicklungen ankaufen, sind aus den 80er- und 90er-Jahren. Beispielsweise sehen wir dort immer noch oft das Problem von zu geringen Deckenhöhen, was zwangsläufig zu Abriss und Neubau führt. Das ist ökologisch und ökonomisch katastrophal. Deshalb müssen wir Gebäude wieder so konzipieren, dass sie 100, besser 200 Jahre bestehen. Mein Appell an die Architekten: Folgt bei der Architektur weniger der Mode, sondern plant Häuser, die man sich auch in 50 Jahren noch gerne anschaut und die leicht angepasst und fortgeschrieben werden können.

HM: Das ist ja, was im besten Wortsinn Nachhaltigkeit ausmacht.



RK: In der Hülle und der Konstruktion steckt die meiste graue Energie. Wenn wir jetzt so intelligent planen, dann passt vielleicht ein Hotel, ein Büro oder auch Wohnen rein. Dann haben wir wirklich effektiv etwas zum Thema Nachhaltigkeit beigetragen.

Werden wir in 20 Jahren aufgrund strenger ESG-Richtlinien und der EU-Taxonomie in unseren Städten mit großen Leerständen oder Stranded Assets zu tun haben? Welchen Einfluss wird solch ein Szenario auf unsere Städte haben?

RK: Das Schöne in der Immobilienwirtschaft ist, dass man vermeintlich irreparable Fehler durch Abriss und Neubau beheben kann. Das, was daraus dann neu entsteht, sollte aber bitte so klug gemacht sein, dass man nicht in 40 Jahren wieder ran muss. Wirkliche Stranded Assets entstehen doch nur dort, wo eine Umnutzung nicht möglich ist und der Eigentümer nicht bereit ist, abzureißen und neu zu bauen. Das ist eine immobilienwirtschaftliche Frage, aber die liegt auch im Interesse der Stadtgesellschaft und der Gemeinschaft. Mir fehlt jedoch jegliche Fantasie zu glauben, dass ein Immobilieneigentümer sich das leisten kann. Entweder findet er doch noch eine Nutzung, die einen Ertrag generiert oder er reißt ab und baut neu. Zumindest gilt das für die urbanen Zentren. Die Regionen und Lagen, die dann irgendwann keine Daseinsberechtigung mehr haben, müssen wir neu entwickeln oder vielleicht sogar zurückbauen. Nicht falsch verstehen, ich will den ländlichen Bereich nicht einstampfen, aber wir müssen flexibler in ökologischer und ökonomischer Sicht agieren. Denn es wird Quartiere, Kleinstädte oder Dörfer geben, wo keiner mehr bleiben will. Durch die fortschreitende Urbanisierung werden immer mehr Menschen in die Städte ziehen. Doch darin liegt auch eine Chance: Wir können die Flächen rückbauen und renaturieren – das ist doch ökologisch und ökonomisch sinnvoll. In der Stadt habe ich alles beisammen. Ich habe kurze Wege. Das ist Nachhaltigkeit und nicht nur die grüne Fassade. Aber da muss man konsequenter einen Schritt weiterdenken und weniger sentimental sein. Und dann sind wir beim Thema Strukturwandel in den Städten, da läuft die aktuelle Entwicklung beim Einzelhandel ja dem Abgesang aus Corona-Zeiten zuwider. Der Einzelhandel ist nicht tot, er entwickelt sich nur anders. Umsätze werden anders erwirtschaftet, die Anforderungen, das Umfeld und die Gründe, warum Menschen in die Stadt kommen, unterscheiden sich.



HM: Diese Transformation wird aber einen maßgeblichen Impact auf unsere Innenstädte haben. Wenn wir diese monofunktionalen Kaufhausstrukturen aufbrechen, sehe ich ein großes Potenzial, um geeignete Grundstücke oder Strukturen für hybride Nutzungen zu finden. Und durch die Verbindung von Wohnen und Büros wird das interessanter und spannender. Aber auch da muss in den Köpfen der Verantwortlichen zum Teil noch einiges passieren. Die sind zwar schon ziemlich aktiv, laufen der Entwicklung aber noch ein bisschen hinterher.

RK: Aber das ist doch eine fantastische Chance. Kaufhäuser sind nicht mehr zeitgemäß, da haben vielleicht noch Erdgeschoss und erstes Obergeschoss ihre Berechtigung. Darüber machen wir dann Wohnungen oder Büros oder Hotel – urbaner geht es nicht. Die Stadt ist nicht tot. Sie verändert sich nur.

Ein schönes Schlusswort. Vielen Dank.