FOTOS, SKAT UND TA­SCHEN­RECH­NER.

Im Gespräch mit Dirk Neugebauer, Niederlassungsleiter Frankfurt, LBBW Immobilien Development GmbH 

Fotos: Michael Hudler

Stock Werk: Wir finden die Idee mit den Bierdeckeln großartig. Hätten Sie geahnt, dass Ihre Fotos einmal auf Bierdeckel gedruckt würden?

Dirk Neugebauer (DN): (lacht) Nein, das war auch für mich eine große Überraschung. Das Projektteam hat sie mir zum Richtfest vom Rheinkontor geschenkt.

Werden die Bierdeckel hier auch im Restaurant benutzt werden oder haben Sie die nur zuhause in der Bar? 

DN: Natürlich habe ich in meiner Bar auch welche, (lacht) aber es wäre schön, wenn wir sie als Grundausstattung auch im Mitarbeiter-Restaurant hätten.

War dies das erste Mal, dass Ihre Bilder so präsentiert wurden, oder passiert das regelmäßig? 

DN: Das war das erste Mal. Das Richtfest vom Rheinkontor im Zollhafen Mainz haben wir bewusst einmal ganz anders aufgezogen: Es wurde kulinarische, musikalische und auch Foto-Kunst präsentiert. Zu meiner Überraschung hingen plötzlich meine Bilder, die ich über die Realisierungszeit hier gemacht hatte, großformatig an den Gerüsten und diese Bierdeckel lagen aus. Die haben großen Gefallen gefunden. Kaum war das Richtfest vorbei, hat die Bauleitung diese großformatigen, aufgezogenen Bilder vom Gerüst in unser Baubüro gestellt oder gehängt.

FISCHSAUCE, WEIN UND ÄHNLICHES.

Die großen Bilder könnte man doch jetzt unten schön in die Lobby hängen.

DN: Ja, in der Tat. Aber hier im Rheinkontor werden wir eine andere Geschichte erzählen: die der tausendjährigen Geschichte dieses Ortes. Als wir begonnen hatten, die Baugrube auszuheben, sind wir nämlich auf gut erhaltene römische Amphoren gestoßen. Der Fund war eine Riesenüberraschung für alle. Selbst die Landesarchäologie vermutete auf dieser Seite des Rheins keine Siedlung. Die Amphoren waren fast unversehrt, da konnte man noch lesen, was sich früher darin befand: Fischsauce, Wein und Ähnliches. Sie kamen aus Italien und wurden einmal um Gibraltar bis zur Rheinmündung und dann den Rhein flussaufwärts geschifft. Diese Amphoren hat man, nachdem sie geleert waren, gegen das aufsteigende Grundwasser unter die Gebäude hier gelegt, um die Kapillarität zu brechen. Intelligente Bautechnik ihrer Zeit und perfektes Recycling. Momentan sind die Amphoren noch beim Restaurator – aber sobald sie fertig sind, werden sie im Freibereich öffentlich ausgestellt. Dort kann dann jeder gerne hin.

Holger Meyer (HM): Eigentlich DAS Horrorszenario jedes Projektentwicklers!

Gab es dadurch eine lange Bauverzögerung?

DN: Nein, die Archäologie wurde in den Bauablauf integriert, da es sich hier um keine archäologische Verdachtsfläche handelte. Wir haben immer jene Bereiche ausgehoben, in denen es keine Funde gab oder in denen sie schon geborgen waren. Alles wurde zuvor fotografiert, vermessen und kartiert. Man hat sogar einzigartige Bronze-Kunstwerke und Alltagsgegenstände wie alte Holzlöffel gefunden. Das hat uns dazu bewogen, diese feinen kleinen Sachen im Gastraum des LBBW-Betriebsrestaurants auszustellen. Sie gehören ja auch hierher. Das ist die Geschichte des Ortes und das Rheinkontor wird dann auch in den historischen Pfad durch die Stadt Mainz integriert. 


„FRÜHER SKATKARTEN
UND TASCHENRECHNER,
HEUTE EXCEL-GESTEUERTER
PROJEKTENTWICKLER.“

DIRK NEUGEBAUER

Haben Sie schon immer Ihre Projekte so fotografiert?

DN: Nein, damit habe ich erst während der Projektarbeit angefangen. Ich mache das auch nur bei Projekten, die mir wirklich am Herzen liegen. Ich glaube ja, dass ich eigentlich ein verhinderter Künstler bin. Ich hatte nie vor, Bauingenieur zu werden, sondern eher Architekt wie mein Bruder. Oder eben Fotograf. Ich fotografiere für mein Leben gerne. Irgendwann fiel mir auf, dass es auf Baustellen viele kleine Details gibt, die im Alltagsbetrieb untergehen oder gar nicht gesehen werden. So habe ich angefangen, bei spannenden Projekten immer mal wieder einen Gang über die Baustelle zu machen. Wenn ich neben den Baustellenbesichtigungen und Bauzustandsfeststellungen mal einen Eindruck bekommen möchte, wie die Baustelle läuft, dann gehe ich allein los. Idealerweise bei gutem Licht, also am Morgen oder am Abend.

HM: Die Kamera haben Sie immer im Auto dabei?

DN: Das Handy. Die machen ja heutzutage super Bilder und haben eine gute Auflösung, wie man sieht. Bei meinen Rundgängen auf der Baustelle fallen mir immer kleine Besonderheiten auf: schöne geometrische Formen, Farbenspiele, alltägliche Gegenstände, die durch den gewählten Ausschnitt plötzlich ganz anders wirken. Zum Beispiel diese Spanngurte hier. Manchmal muss man noch ein bisschen arrangieren – um eine schöne Bildkomposition zu bekommen. Wenn man das dann auf ein anderes Format beschneidet, ist es einfach nur noch abstrakte Kunst.

HM: Für mich ist das ein völlig anderer Blick auf etwas Vergängliches. Diese Rauheit geht ja dann später zur Fertigstellung verloren. 

DN: Es sind dann Bilderrätsel, bei denen man überlegen muss, was es ist. Und dann stellt man schnell fest: Es sind meist ganz profane Sachen. Mir fallen sie ins Auge, wenn ich über eine Baustelle gehe und dann fotografiere. Schwieriger ist es zum Beispiel, eine Bürofläche zu fotografieren. Dankbare Motive sind die Kabelberge in den IT-Verteilerräumen oder die metallisch schimmernden Lüftungskanäle unter der noch nicht abgehängten Decke. Teppichböden und weiße Wände eher weniger, weil dort Farbe oft nur eine Nebenrolle spielt. 

Meist gestalten wir als Entwickler zusammen mit den Architekten ja nur die Fassade und die allgemeinen Bereiche. Dort setzen wir die Akzente, die dann das übergeordnete Konzept eines Hauses, die Qualität sowie die Bezüge zum Standort verständlich machen. Hinter der Mietbereichszugangstür ist unser gemeinsamer Gestaltungswille aber oft begrenzt ... leider.

Wenn Sie denn Architekt geworden wären, wer wäre da Ihr Vorbild?

DN: Tadao Ando. (lacht) Das liegt vielleicht daran, dass ich eine Ausbildung zum Stahlbetonbauer absolvierte, bevor ich mit dem Bauingenieurstudium begonnen habe.

HM: Das sind wirklich unterschiedliche Welten. Betonbauer, Bauingenieur und Künstler. 

DN: Ja, genau. Früher Skatkarten und Taschenrechner und heute Excel-gesteuerter Projektentwickler. (lacht)  

HM: So lernt man Menschen, die man schon lange kennt, noch einmal völlig neu kennen. Vordergründig ein ganz pragmatischer Mensch, der für den Projekterfolg auf Auftraggeberseite verantwortlich ist. Der zweite Blick liefert dann ein ganz feines Auge für Details und eine gestalterische Sensibilität. Das ändert den Blickwinkel bei der Zusammenarbeit. Da hat man eine andere Diskussionsebene, wenn man ins Gestalterische kommt. Wenn wir zukünftig über eine Fassade diskutieren, dann weiß ich, dass hinter dem pragmatischen und kaufmännischen Ansatz jemand ist, mit dem ich darüber diskutieren kann, was Tiefe und Qualität bringt. Weil da jemand ist, der Licht und Schatten versteht und nicht nur Zahlen. Ich glaube, dass in so einer Zusammenarbeit, bei der man sich, was den gestalterischen Anspruch angeht, auf Augenhöhe begegnet, die besten Projekte entstehen können. 

Wie kam es denn beim Rheinkontor zur Zusammenarbeit?

DN: Über den Wettbewerb. Das machen wir immer mal ganz gerne, denn so entstehen gute Ideen für den Standort und dafür, was man aus den Rahmenbedingungen des B-Plans machen kann.  Hier waren die Ergebnisse sehr unterschiedlich.

Ursprünglich sind wir hier im ehemaligen Zollhafen von Mainz mit dem Wunsch nach robuster Architektur gestartet. Zu dem Wettbewerb waren sechs Büros eingeladen. Der Entwurf von Holger Meyer hat uns sofort überzeugt, weil wir gesehen haben: Das ist gute, ansprechende Architektur, die auch Entwicklergesichtspunkte wie Erschließung und kleinteilige Vermietbarkeit abbildet. Das ist für diesen Standort ja nicht unwichtig. 

Auch wenn die LBBW hier Hauptmieter sein wird, gibt es noch genug Flächen zu vermieten. Ich habe gelernt, effiziente, aber qualitativ hochwertige Projektentwicklungen zu machen. Denn als Projektentwickler verkaufen wir Flächen, Oberflächen und Träume. Das ist unser Geschäft am Ende des Tages. Dabei ist viel Optimierung gefragt. Angefangen bei dem Grundstück und dessen Ausnutzung. Dann bei den Flächen, gemeinsam mit Architekten und Fachplanern: Kerne, Schächte, Erschließungen. Anschließend werden die Flächen hinsichtlich Aufteilung, Vermietbarkeit und Flexibilität optimiert. Darauf folgt die Oberflächen-, Fassaden- und Innenarchitektur. So schaffen wir letztendlich Träume – sei es für den Mieter, den Käufer oder den Endinvestor.

 

Herr Neugebauer, vielen Dank für diese Einblicke.