„DIE MEISTEN SCHEIDUNGEN GIBT ES JA BEIM BAUEN.“

Ein Gespräch mit Thomas Tritsch, Geschäftsführer Morgen GmbH & Co. KG 

Fotos: Robertino Nikolic

BILDHAUER.

SCHREINER.

DESIGNER.

Wolltest du schon immer Interior-Designer werden?

Thomas Tritsch (TT) | Nein, das kam auf Umwegen und war nicht mein Ziel. Ich bin eigentlich Bildhauer und ausgebildeter Schreiner. Vor 23 Jahren wurde ich Vater – und musste plötzlich Geld verdienen. Meine Partnerin, Sabine Mühlbauer, ist Architektin, und wir haben damals beschlossen, uns auch beruflich zusammenzutun. Wir wollten eine Symbiose zwischen Kunst, Raum und Architektur finden. Damals haben wir schon hier um die Ecke an der Hanauer Landstraße gewohnt. Mit einer Galerie im Erdgeschoss, einer Werkstatt in der Mitte und den Wohnräumen obendrüber. Und da fingen wir auch mit Kunstausstellungen an, die dann schließlich zu Partys wurden. Die machen wir heute immer noch sehr gerne.

Gutes Stichwort ... Deine Partys sind ja mittlerweile Kult in Frankfurt. 

TT | Ich mag den Salongedanken. Wie kann man Leute zusammenbringen? Wie entsteht Kommunikation? Wie entstehen gemeinsame Projekte? Wir sind neugierig und offen. Und die Veranstaltungen bilden eine Plattform, um neue Leute kennenzulernen. Damals wie heute.

Holger Meyer (HM) | Wir hingegen haben uns über ein Projekt kennengelernt. Das war für einen kleinen, kompakten Büroausbau für Hans-Jürgen Heiderich, einen guten Kunden und auch Freund, der sehr kunst- und designaffin ist. Wir haben keine Berührungsängste, was in unserer Branche ja eher unüblich ist. Ich habe das total geschätzt, dass du so entspannt mit den beiden Seiten umgegangen bist. Nach dem Motto: „Ich will jetzt mal die Architektur verstehen, ich will den Typen verstehen.“ Daraus ist ein ganz selbstverständlicher Workflow entstanden. Darin haben wir ein schönes Produkt gemeinsam entwickelt. Viele Sachen vorgeschlagen, viele Sachen diskutiert. Es gab aber nie ein Gegeneinander, sondern nur einen konstruktiven Weg zum Ziel. Das war als Projekt nicht unanstrengend, führte aber zu einem super Ergebnis. 

TT | Na ja, wir hatten alle drei die Grundeinstellung, dass man dem anderen mit Wertschätzung und Akzeptanz gegenübertritt. Das machen nicht viele Kollegen von dir. Bei dir habe ich das Gefühl, ich kann von dir lernen. Und ich glaube auch, dass du ein Stück weit etwas von uns mitnehmen konntest. Das ist ja eigentlich das Schöne daran. Ich hasse es, Projekte alleine zu machen. Total schön ist, wenn auch der Kunde mitredet und seine Ideen einbringt. Ich bin der Meinung, ein Projekt wird nur dann erfolgreich, wenn der Kunde oder der Partner es auch zu seinem eigenen Projekt macht. Und nicht das Gefühl hat, man würde ihm irgendwas überstülpen. 

Gregor Gutscher (GG) | Ich habe dich bei dem Innenausbau unseres Büros und bei einem gemeinsamen Wettbewerb kennengelernt. Bei beiden war mir wichtig: Manchmal hat man ja schon schräge Ideen. Dann ist es wichtig, Leute um dich herum zu haben, die sich das anhören und sagen: „Das ist zwar echt schräg – aber irgendwie auch echt super.“ Dadurch bekommt man eine gewisse Sicherheit für das, was man macht, und sitzt nicht so in seinem eigenen Saft.

TT: Ja, der Dialog ist total wichtig. Mal ein Beispiel: Ich tue mich unheimlich schwer, mich selbst einzurichten. Meine Wohnung sieht ganz anders aus als das Büro hier. Denn ich müsste dann in einen Dialog mit mir selbst gehen. Das ist viel komplexer, als wenn ich die Wohnung für dich einrichte. Wenn man in einen richtigen Dialog reingeht, ist es immer spannender, schöner und auch intensiver. 

HM: Ich finde, der Umweg gehört zum Prozess dazu. Das ist auch bei Wettbewerben der Fall. Wir haben immer den Ansporn, besser zu werden, und dafür müssen wir uns ständig hinterfragen. So kommt der Vergleich mit anderen, aber auch der Austausch im Büro ins Spiel. Dialog bedeutet eben Reibung – da läuft es nicht von Anfang an aalglatt. 

TT: Das ist schon wie bei einer Mediation.           

HM: Wenn jeder den anderen machen lässt, dann kann das so funktionieren.

TT: Wir müssen beim Interior-Design tatsächlich in die Psychologie reingehen. Deshalb arbeite ich auch nicht mehr für Pärchen. Wenn ein Pärchen kommt, dann sage ich gleich: Ich arbeite nur mit einem von beiden. Zusammen wird das nie was. Denn sonst ist es so: Der Mann will eine Küche, ein teures Teil. Und sie dann: Du kochst doch nie. Und er: Dann fange ich an zu kochen. Und so geht das weiter. Das funktioniert einfach nicht.   

HM: Da erzähle ich gerne die Geschichte, als wir ausnahmsweise mal ein Einfamilienhaus für einen guten Kunden geplant haben. Die erste Abendsitzung mit Rotwein ging bis spät in die Nacht. Um acht am nächsten Morgen klingelt mein Telefon: „Meine Frau ruft gleich an ... sag ihr doch bitte das, das und das ...“ Nach einem Abend waren wir schon an dem Punkt, zu dem wir eigentlich nie kommen wollten. Das ist das Problem – es wird zu persönlich. 

TT: Genau! Und du steckst mittendrin. Die meisten Scheidungen gibt es ja auch beim Bauen.

HM (lachend): Die Statistik kenne ich nicht. 

TT: Es gehen einem die Ziele aus. Letztendlich ist es doch so: Du hast eine Beziehung, du heiratest, dann kommen die Kinder. Und dann fängst du an zu bauen, weil das von den ganzen Problemen ablenkt, die eine Familie so mit sich bringt. Mit dem Bauen hat man nämlich ganz andere Probleme. Und wehe, wenn der Bau irgendwann endlich fertig ist. Dann hat man auf einmal keine gemeinsamen Ziele mehr.                 

GG: Und wahrscheinlich einen Kompromiss gebaut, da beide im Prozess involviert waren. 

TT: Genau. Du hast einen Kompromiss gebaut und keine gemeinsamen Ziele mehr. Die Kinder gehen aus dem Haus. Gemeinsame Verpflichtungen gibt es nicht mehr. Dann musst du schauen: Gibt es überhaupt noch gemeinsame Inhalte? 

 

Womit wir wieder beim Thema Mediation wären. Der Vergleich ist gut, weil das den Prozess beschreibt, in den sich der Architekt mit dir begibt. Natürlich nur, wenn er dafür offen ist und man sich gegenseitig inspirieren kann. Was sind denn deine Inspirationen? 

TT: Mich inspirieren große Architekten der klassischen Moderne. Bei uns hier ist auch alles recht klassisch, Holz und Stein. Wir versuchen immer, authentisch und ehrlich zu sein. Zum Beispiel arbeiten wird nicht mit Kunststoff. Dafür aber mit Kautschuk – eben Materialien, die eine gute Haptik haben und eine gute Geschichte und die im Idealfall auch nachhaltig sind. 
Auf Messen etwa gehe ich gar nicht. Wir haben mit dem Laden eine gute Position. Leute kommen zu uns, die uns etwas zeigen wollen. Das ist angenehmer, als über eine Messe zu wandern.
Hinzu kommt, dass dieser Raum hier etwas Besonderes ist. Er heißt auch Morgen and Friends. Zu jedem dem, der hier etwas stehen hat, haben wir einen persönlichen Kontakt. Das ist über die Zeit gewachsen und wird immer mehr.

HM: Ich glaube, das ist dein Alleinstellungsmerkmal. Du entziehst dich dem Mainstream und folgst nicht den ausgetretenen Pfaden. Du fühlst dich in einer Nische wohler und mit Menschen, die eben nicht den Mainstream abbilden. So bleibt es spannend und führt zu Ergebnissen mit einem ganz eigenen Charakter. 

TT: Dadurch verzettelt man sich auch nicht. Ich lehne viel ab, mache lieber weniger und mit Menschen, mit denen es funktioniert. Wo die Wertschätzung passt.

GG: Ja, es hat viel mit Menschen zu tun und wird schnell sehr emotional. 

TT: Es geht um Haltung, Haltung zu allen Dingen. Ich denke in Haltungen: Passt das zu uns? Passt das zum Kunden? Ist es echt? Das ist auch das Schöne bei unseren Veranstaltungen. Es kommen Leute von 18 bis 70 Jahren, viele auch mit ihren Kindern. Wir bieten eine Plattform, auf der sich Menschen treffen und die Menschen verbindet. Das macht mich am glücklichsten.

Wo kommt der Name „Morgen“ eigentlich her?

TT: Das ist relativ einfach. Wir wollten etwas haben, das mit Zukunft zu tun hat. Also nannten wir uns Morgen. Ich liebe den Namen nach wie vor. Wir haben ihn geschützt als Wortmarke. 

HM: Das gibt es auch auf Englisch, For Future. War das Wort des Jahres 2019. Morgen ist sozusagen die rein deutsche Fassung. 

 

Vor 20 Jahren war das hier der wilde Osten Frankfurts. Du hast die ganze Entwicklung der Hanauer Landstraße mitbegleitet. 

TT: Ich hoffe, dass der Osten ein bisschen rau bleibt, wie er jetzt ist. Ich liebe diesen Ausblick über den Osthafen. 

HM: Man muss sich auch fragen, wo kann sich Frankfurt denn noch entwickeln? Wie soll sich was entwickeln, an welcher Stelle? Das ist schon ein Thema. 

TT: Schau dir mal Hamburg an. Da gibt es noch so richtig kernige Ecken. Das finde ich schön.

HM: Das haben sie gut hinbekommen, trotz aller Veränderung den Charakter zu behalten. Was passiert aber mit Teilen einer Stadt, die in den nächsten Zyklus kommen? Wie in New York?

TT: Ja, Gentrifizierung – das ist schade. In New York sieht in zwei Jahren alles wieder anders aus. Da bin ich mir sicher. 

Ihr entwickelt euch ja auch. Machst du immer noch lieber die kleinen Sachen oder stehen die großen Projekte vornan?

TT: Am liebsten mache ich Hotels. Das ist wie eine Maschine, die funktionieren muss. Eine echt spannende Arbeit. Man sitzt zwei Jahre dran und erlebt einen Prozess. Das ist besser als eine Privatwohnung. Außerdem hält so etwas den Laden am Laufen. Wohl wie bei euch mit Großprojekten?                

GG: Natürlich, du kannst einen großen Laden nur führen, wenn du einen Grundstock an größeren Aufträgen hast. 

Hast du noch ein Traumprojekt?

TT: Mein Traum ist, ein eigenes Hotel zu machen, ein Morgen Hotel. Auf Mallorca. Und einen Morgen Wald zum Morgen Hotel. Das passt zu unserer Idee, dass wir CO2-neutral werden wollen. Wir denken an einen Online-Shop, in dem man mit jedem Produkt einen Baum kauft, den wir dann mal pflanzen werden. Im Morgen Wald halt.

Herzlichen Dank für diese Einblicke.