DREIMAL MÜNCHEN

Fotos: Hannes Rohrer (Reportage), Rainer Taepper (Luftbilder)

StockWerk lud die Bauherren von drei Münchner Bauprojekten zu einer Interview-Rundfahrt durch München zu ihren Baustellen. Wir wollten wissen, was Heimat für sie bedeutet, warum sie in München sind und was sie an München besonders schätzen. Für alle drei Projekte gilt: Nicht ein Architekt zeichnet gesamthaft verantwortlich, stattdessen wurden mehrere Büros für die Realisierung ausgewählt. Ein Modell mit Zukunft?

Ein Gespräch mit Joachim Schmidt-Mertens, Geschäftsführer Becken Development GmbH, Hamburg, Tobias Wilhelm, Head of Munich, Art-Invest Real Estate Management GmbH & Co. KG und Gerhard Wirth, COO Isaria Wohnbau AG, München (v.l.n.r)


WAS IST HEIMAT?

Joachim Schmidt-Mertens, Hamburger | Heimat ist dort, wo Menschen zu Hause sind. Meine Heimat ist Hamburg. Da bin ich geboren, groß geworden, da habe ich fast mein ganzes Leben verbracht – da bin ich zu Hause. Aus Sicht unseres Unternehmens, der Becken Development GmbH, haben wir nicht nur Hamburg als Heimat, sondern auch Berlin, Frankfurt, München und Düsseldorf. Überall dort, wo unsere Projekte sind. Da stellt sich mir die Frage: Kann man mehrere Orte haben, die Heimat sind? Es gibt ja vielleicht nicht ganz ohne Grund keinen Plural von Heimat. Um das aufzufangen, haben wir vor Ort immer Mitarbeiter, die sich genau darum kümmern: Immobilien zu schaffen, die in die jeweilige Heimat passen.

Tobias Wilhelm, Wiesbadener und Wahl-Münchner | Ich würde zwischen Heimat und Wurzeln differenzieren. Heimat verbindet man natürlich immer mit der Familie. Mit deiner Familie kannst du überall auf der Welt eine Heimat finden. Aber deine Wurzeln liegen vielleicht woanders. Meine zum Beispiel in Wiesbaden und Hessen. Damit verbinden mich viele Erinnerungen. Jetzt sind wir aber mittlerweile schon seit 15 Jahren in München und die Stadt ist mehr als nur unser Zuhause. München ist Heimat geworden. Hauptsitz der Art-Invest ist in Köln. Wir arbeiten auch nach dem Niederlassungs-Prinzip, sind in allen großen Metropol-Regionen Deutschlands vertreten. Unsere Niederlassung in München verantwortet mit aktuell 34 Mitarbeitern den gesamten Bereich Süddeutschland. In der Projektentwicklung ist es sehr wichtig, dass man diesen Heimat- und Ortsbezug hat. Dass es Menschen vor Ort gibt, die sich des Themas annehmen. Dass es kurze Entscheidungswege, kurze Wege zu den Partnern, zu den Architekten und allen Stakeholdern eines Projekts gibt. Wir sind der festen Überzeugung, dass ein Projekt nur dann emotional vertreten werden kann, wenn man auch vor Ort sitzt. Das heißt für den Projektentwickler: Nur mit einem lokalen Bezug kann man erfolgreich am Markt bestehen.

Gerhard Wirth, Regensburger und Teilzeit-Münchner | Es kann sich schon das Zuhause verändern – ob sich dadurch die Heimat verändert, weiß ich nicht. Aber es hat viel damit zu tun, sich im Umfeld wohlzufühlen. Sich auch bei den Menschen dort wohlzufühlen, auch im städtischen Raum. Das hat viel mit Qualität zu tun. Man kann es im Moment ja weltweit sehen, viele Menschen verlieren ihre Heimat, dann weiß man das wieder anders wertzuschätzen. Das Kerngeschäft der Isaria Wohnbau AG, wie der Name sagt, ist das Wohnen, was man ja per se irgendwo auch mit Heimat und heimatlichen Gefühlen verbindet. Insofern beschäftigt uns das Thema sehr stark. Wir kaufen relativ große Areale, die früher oft industriell genutzt wurden, und versuchen dort eine neue Heimat zu schaffen für Hunderte oder Tausende Menschen und ein Umfeld zu schaffen, in dem man sich zu Hause daheim fühlen kann. 

Gregor Gutscher, Frankfurter Bub | Meine Heimat ist Frankfurt. Ich mag München sehr. Daher ist es für mich auch so ein Glücksfall, dass wir in München ein Büro haben. Ich habe früher einmal für fünf Jahre in München gelebt und gearbeitet und dachte, das ist ja alles noch Deutschland. Habe dann aber schnell gelernt, nein, ist es nicht – ist ja Bayern. Das war für mich ein intensiver Lernprozess, wie sehr man an gewohnten Sachen hängt. In diesem Zusammenhang finde ich den Begriff „gewohnt“ eigentlich ganz passend. München ist dem Wortsinn nach nicht meine Heimat geworden.

Holger Meyer, gebürtiger Rheinländer, lebt in Frankfurt und fühlt sich doch ein bisschen als Bayer | Ich bin zwar im Rheinland, in Düsseldorf, geboren, meine Wurzeln liegen aber auch in Bayern, da mein Vater aus Bayern kommt. Wir waren immer viel hier, da meine Mutter aus Ostpreußen geflohen war und ihre Heimat für sie eigentlich nicht existierte. Ich kann daher Heimat nicht unbedingt auf einen Ort beschränken. Seit meiner Jugend lebe ich in Frankfurt. Hier bin ich schon verwurzelt. Das ist meine Heimat, auch wenn ich da nicht geboren bin. Aber ich fühle mich nicht als Frankfurter, auch nicht als Düsseldorfer. An München hängen auch sehr viele Erinnerungen, auch ein Stück Heimat für mich. Ich kann Heimat nicht unbedingt auf einen Ort beschränken. Diese Ambivalenz ist es, die für mich den Reiz ausmacht. Eben auch wie unsere zwei Bürostandorte in Frankfurt und München.


WARUM MÜNCHEN?

Joachim Schmidt-Mertens (JSM): Für mich als Projektentwickler aus Hamburg, der sich neben dem Wohnungsbau mit Bürobau beschäftigt, sehe ich erst einmal die offensichtlichen Qualitäten: Die Stadt liegt zentral und ist dank der guten Infrastruktur national und international erstklassig angebunden. Großer Flughafen, Bahnverkehr von und nach ganz Deutschland und Europa, ein gut ausgebautes Autobahnnetz. Das sind essenzielle Wirtschaftsfaktoren, die München zu einem idealen Unternehmensstandort machen. Automobilindustrie, Automotive-Zulieferer, IT-Unternehmen, Pharmaindustrie, Versicherungen, Elektrotechnik – alles da, was Rang und Namen hat.

Tobias Wilhelm (TW): München ist der drittgrößte Büromarkt Europas, nach London und Paris. Momentan haben wir eine extrem hohe Nachfrage nach Büroflächen – und in der Folge auch nach Wohnraum. Das stellt München natürlich vor gewisse Herausforderungen. Die Planungen von Sub-Zentren reichen bei weitem nicht aus, um den Zuwachs, den München in den letzten Jahren erlebt hat, aufzufangen. Hier fällt München international etwas ab, wenn man mit London oder Paris vergleicht. Dort wurden schon sehr früh Entwicklungszonen außerhalb des Zentrums identifiziert.

Gerhard Wirth (GW): Gott sei Dank tut sich einiges – das lag über Jahrzehnte ehrlicherweise schon ein bisschen brach. Die Kommunikation mit den umliegenden Gemeinden und Städten, mit den ganzen Dachaus dieser Welt und allen drum herum. Ohne die wird es nicht gehen. Es werden jetzt gerade zwischen 6.000 und 7.000 Wohnungen pro Jahr errichtet, in den letzten sogar etwas mehr. Das deckt aber noch lange nicht den Bedarf. Und schon stecken wir in der nächsten Diskussion über die Infrastruktur .

TW: Außerdem ist München eine sichere Stadt. In allen Aspekten, gerade auch im politischen Umfeld. Wenn man das im Vergleich zu Berlin sieht, ist München mit anderen Metropolen hier der Profiteur. Dass sich globale Unternehmen wie Google oder Apple bewusst für München entscheiden und hier große Flächen anmieten, spricht für die Stadt. So wird der attraktive Wirtschaftsstandort gleichzeitig zum Jobmotor, der München für Investoren zur beliebtesten Stadt in Deutschland macht. 

GW: Jeder kommt gerne hierher. Alle wollen nach München, wollen auch hier auf Dauer bleiben. Genau wegen der schon erwähnten Qualitäten, privat und am Arbeitsmarkt. Da sagt natürlich dann auch ein Google-Chef: super Stadt, super Universitäten. Unser Problem als reines Wohnungsbauunternehmen ist, dass der Trend dahin geht, nur noch Grundstücke durchzuhandeln. Wir versuchen uns dieser Tendenz zu entziehen. Es wird ja ständig diskutiert, dass Bauen hier zu teuer ist und günstiger werden muss und soll. Befeuert dadurch, dass momentan alle in der Stadt wohnen wollen. Andererseits gibt es hier sehr konservative Kräfte, die an allem festhalten und bloß keine Veränderungen zulassen mögen. Werte sind auch uns wichtig – aber ich denke mir da manchmal: Ein bisschen Mut fehlt schon! 

Holger Meyer (HM): Das ist die Gegenreaktion zu dem enormen Tempo der Entwicklung gerade in den letzten zehn Jahren. Ganze Orte und Quartiere verändern sich rasend schnell.

Gregor Gutscher (GG): Da nimmt München seine Rolle der Planungshoheit aber sehr ernst. Das wird konsequent durchgeführt und die Qualität durchgängig hochgehalten. Das ist im Vergleich zu anderen Städten schon auffällig. 

GW: München gehört zu den Städten, die auf der behördlichen Seite wirklich gut strukturiert sind und Qualitäten in der Planung einfordern. Wie zum Beispiel unser Projekt Diamaltpark in München-Allach im äußersten Nordwesten Münchens. Wir haben da alles über Architekturwettbewerbe entwickelt. Auch für die Bauten, die sozial gefördert sind. 

HM: Wir arbeiten schwerpunktmäßig in Frankfurt und in München – in beiden Städten haben wir eine sehr gut strukturierte Genehmigungs- und Behördenseite. Das liegt aber auch daran, dass man sich in all den Jahren ein Vertrauen erarbeitet hat. Und so schließt sich der Kreis ein bisschen: Es gibt eine Basis, gewisse Türen stehen offen und plötzlich kann man auch einmal andere Wege gehen. Gerade weil man Dinge schon öfter genau so ausgeführt hat, wie sie besprochen waren.

GG: Für mich steht immer im Vordergrund, dass man als Architekt versteht, was den Menschen an dem Ort, für den ich etwas entwerfe und später vielleicht auch baue, wichtig ist. Wie ist das Lebensgefühl? Was sind die Gepflogenheiten bei den Nutzern? Aber auch in der Stadt? Wie ist das im Planungsteam und beim Amt? Das alles beeinflusst mich als Architekt und fließt in den Entwurf mit ein. Je intensiver ich den Ort kenne oder wahrnehme, umso überzeugender werden die Lösungen. Ich habe früher in einem international tätigen Büro gearbeitet und ein 450-Meter-Hochhaus in China mitentworfen. Wir haben den Wettbewerb am Ende nicht gewonnen, weil nach einer chinesischen Tradition immer ein Drache um die Ecke fliegen können muss. Ich kann das jetzt lächerlich finden oder ich komme zu dem Punkt, mich damit ernsthaft auseinanderzusetzen. Und dazu brauche ich eine Nähe zu dem, was da kulturell passiert. 

HM: Das beschreibt schön das Lokalkolorit. Ich würde in Frankfurt nie einen Bauherrn finden, mit dem ich mich über einen Kammputz oder einen Kratzputz unterhalten kann. In München ist das ein völlig typisches Thema. Das ist eine Kultur, ein Stück Baukultur. Sie muss man fühlen und kennen, um zu verstehen, dass München eine andere Baukultur als Frankfurt hat. Das hat dann doch etwas mit Heimat zu tun. Eine Architektur zu schaffen, die eine Ortsverbundenheit hat oder eine Tradition pflegt. Das heißt nicht, dass es keine moderne Architektur ist – aber man muss verstehen, warum manche Dinge so sind. 

Einen Ort aus der Tradition heraus zu verstehen, ist eine wesentliche Aufgabe für uns Architekten. Und das kann man nur, wenn man sich auf den Ort einlässt. Man kann örtliche Gepflogenheiten bewusst anders interpretieren. Aber dafür muss man sie vorher erst verstanden haben.

Beim Projekt ›Hoch der Isar‹ etwa arbeiten wir auch als Koordinatoren des Gesamtprojekts und haben so eine Schnittstelle zu den Münchner Kollegen. Aus dieser Kooperation nehmen wir eine Menge mit. Man muss aber auch zuhören und daraus lernen. 

TW: Der Anspruch und die Erwartungshaltung an die architektonische, aber auch städtebauliche Qualität von Neubauprojekten hat bei der Stadt München und den umliegenden Gemeinden in den letzten Jahren stark zugenommen. Nehmen Sie unser Projekt ›Die Macherei‹ in Berg am Laim: Wir tragen dazu bei, die Stadt weiterzuentwickeln und etwas Nachhaltiges zu schaffen. Deswegen haben für uns die Architektur und deren materielle Qualität einen sehr, sehr hohen Stellenwert. Als Entwickler sind wir uns der sozialen Verantwortung gegenüber der Gesellschaft bewusst. Uns Gedanken zu machen, welche Architektur entsteht und welche Materialien eingesetzt werden, sehen wir als Teil unserer gesellschaftlichen Verantwortung. Natürlich kann man in der aktuellen Marktlage sagen, am Ende kriegt man alles verkauft bzw. vermarktet, aber das sollte nicht alleiniges Ziel sein. Qualität und nachhaltige Architektur werden sich auch in schwächeren Marktphasen durchsetzen.

HM: Das funktioniert auf der städtischen Ebene sehr gut. Der Qualitätsanspruch wird hier in München bewusst hochgehalten – auch durchaus mit Unterstützung auf Behördenseite. Es gibt die große Gestaltungskommission der Stadt. Das ist ein Gremium voller Qualität, in dem erfahrene Kollegen sitzen. Bei Projekten wie ›Hoch der Isar‹ gibt es jeweils einen Gestaltungsbeirat, dessen Kompetenz in diesem Fall auf das Paulaner-Gelände beschränkt war. Das war ein wirklicher Fachdiskurs, dem wir uns dort stellen mussten und auch gerne gestellt haben. 

GG: Es gibt ja diese wunderbare Geschichte vom Entwurf des Olympiastadions von Frei Otto und Behnisch. Man hat damals einem Architekten- und Planerteam den Auftrag für die größte Sportstätte Deutschlands gegeben, das vorher mit gutem Glück gerade einmal eine Schule gebaut hatte. Die präsentierten das Modell mit den „Netzstrumpfhosen“ und schon stellte jemand die Frage: „Sagt mal, kann man so was bauen?“ Die Antwort von Frei Otto und Behnisch: „Ja, kann man.“ (lacht) Genau, „wenn Sie sagen, das geht, dann machen wir das jetzt mal.“

HM: Tatsächlich war es dann a) fertig zur Olympiade und b) steht es noch. Und es ist immer noch gut. Das heißt doch, Mut wird letztendlich auch belohnt. 


DREI MÜNCHNER PROJEKTE


›HOCH DER ISAR‹

Ein Projekt der Becken Development GmbH

An einem prominenten Ort mit grandiosem Ausblick über die Stadt entsteht auf dem ehemaligen Gelände der Paulaner Brauerei am Nockherberg in München Au-Haidhausen ein neues innerstädtisches Wohnquartier. Der städtebauliche Rahmenplan nimmt die kleinteilige durchgrünte Struktur des gründerzeitlichen Stadtteils Au-Haidhausen auf, der nach der teils großflächigen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg mit Wohnbauten der 1950er und 60er Jahre durchmischt wurde. Entstehen wird ein abwechslungsreich anmutender Quartiersblock mit insgesamt 195 Eigentumswohnungen, unterschiedlichsten Wohnungstypen und einem begrünten Innenhof. 

„Das Besondere an dem Konzept ist, dass wirklich unterschiedliche Haustypen entstehen, nicht nur unterschiedliche Fassaden“, betont Joachim Schmidt-Mertens, Geschäftsführer von Becken Development GmbH im Gespräch. Dabei wurden, so Schmidt-Mertens, die Erwartungen der Stadt und des Gestaltungsgremiums sogar übererfüllt: „Es gab einen umfangreichen Gestaltungsleitfaden, aber wir haben noch mehr gemacht. In vielen Bereichen sind wir aber den Vorschlägen der Stadt gefolgt – das hat das Projekt insgesamt sehr qualitätsvoll gemacht.“

Die Becken Development GmbH erwarb 2017 das exklusivste Baufeld entlang der Hochstraße und beauftragte drei renommierte Architekturbüros mit der Ausarbeitung. In einem Werkstattverfahren wurden die Vorgaben des städtebaulichen Konzepts umgesetzt und eine Kette von 13 Wohnhäusern entwickelt. Gemeinsam mit der bestehenden Häuserzeile entlang der Hochstraße schließen sie einen Block. So entstehen Häuser, die in Charakter und Größe unterschiedlich sind, was sich in einem belebten Wechsel von Fassadentypen – Klinkerfassade, Putzfassade, Natursteinfassade, Betonfertigteile – widerspiegelt. 

Alle Häuser ordnen sich dem Gestaltungsleitfaden des Quartiers unter. Um den Vorgaben des Wohnungsmix gerecht zu werden, entstehen in den unteren Etagen kleinere Wohneinheiten. Die größeren Wohnungen liegen in den oberen Etagen. Die Dachgeschosswohnungen verfügen über großzügige Terrassen. Das gesamte Quartier steht auf einer Tiefgarage mit 210 Stellplätzen, die direkt an die Wohnungen angebunden sind. holger meyer architektur plant vier Wohnhäuser und koordiniert zusätzlich die Gesamtplanung des rund 18.000 m2 großen Projekts.

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„Man wird vielleicht nicht unbedingt merken, dass das ein Neubau ist. Sondern nach kurzer Zeit denken, dass dieses Ensemble von Häusern vielleicht schon länger hier steht, da die Häuser ja alle unterschiedlich aussehen.“

JOACHIM SCHMIDT-MERTENS


›DIE MACHEREI‹

Art-Invest Real Estate Management GmbH & Co. KG und Accumulata Immobilien Development GmbH

›Die Macherei‹ ist eine Quartiersentwicklung der Art-Invest Real Estate gemeinsam mit der Münchner Accumulata Real Estate auf dem ehemaligen Areal des Pharmakonzerns Temmler im Münchner Stadtteil Berg am Laim. Ende 2016 lobten die Entwickler gemeinsam mit der Stadt München einen Architektenwettbewerb unter acht international renommierten Büros aus: Holwich Kushner aus New York, Ochs Schmidhuber Architekten aus München und holger meyer architektur gestalten das urbane Büro- und Gewerbequartier. 

Geprägt von rauen Materialien, industriell anmutenden Elementen und markanten Silhouetten, erinnert die Architektursprache an die ehemals im Stadtteil angesiedelten Ziegeleien und verbindet die Vielfalt der Einzelgebäude. 

Beide von holger meyer architektur geplanten Gebäude mit Loftbüros und Einzelhandelsflächen erhalten jeweils eine eigenständige gestalterische Handschrift, angelehnt an die Loft- und Industriebauten der Gründerzeit. Eine charmante Verbindung der beiden Häuser schafft der auf Stützen stehende, industriell anmutende Baukörper „Nachtkastl“.

Zur Inspiration und um für diesen Ort einen kosmopolitischen Mix zu kreieren, gingen die Entwickler und Architekten gar auf eine dreitägige Exkursion und Inspirationsreise nach New York.

Ziel war es, ein Quartier zu schaffen, das auch der Nachbarschaft zugutekommt. So wird die Hälfte der Grundstücksfläche für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Ein Fitnessstudio, Restaurants und Einzelhandel sorgen dafür, dass ein durchmischter Quartiersbaustein entsteht. In den zehngeschossigen Turm zieht ein Hotel ein, dessen Betreiber auch ein Gastronomiekonzept im Erdgeschoss betreibt. Insgesamt entstehen in den sechs Gebäuden rund 74.400 m2 BGF. 

Themen-Terrassen beleben die Dächer 

Eine Besonderheit bei dem Projekt ist neben der heterogenen Architektursprache die Dachterrassenlandschaft. Auf über 5.000 m2 stehen den Mietern unterschiedliche Nutzungen zur Verfügung – neben klassischen Terrassen etwa auch Freiraum für Aktive: ein Basketballcourt, eine Tartanlaufbahn und an den technischen Aufbauten Felsen zum Bouldern. Das Thema Urban Gardening findet ebenso Flächen wie eine Rooftop-Bar mit Alpenblick auf dem Hotel. 

„Unser Anspruch als Projektentwickler ist, unseren Nutzern maximale Flexibilität zu geben. Grundrisse, die flexibel sind, die frei gestaltbar sind – ganz gleich ob es Zelle, Großraum oder vielleicht sogar eine Kombilösung ist“, erläutert Wilhelm. „Darum entschieden wir uns bewusst dafür, einen Co-Worker mit hereinzunehmen und so einen Swing-Space zur Verfügung zu stellen.“

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„Unsere anfängliche Befürchtung war, dass wir mit drei starken Architekten Reibungsverluste haben werden. Aber genau das Gegenteil hat sich bewahrheitet. Es war wirklich ein ganz intensiver Prozess im Team, aus dem sich dann ›Die Macherei‹ entwickelt hat.“

TOBIAS WILHELM


›DIAMALTPARK‹

Ein Projekt der ISARIA Wohnungsbau AG

Von Backhilfsmitteln bis zur Suppenwürze – die Produkte der Diamalt AG, einst traditionsreicher Lebensmittelhersteller aus München, waren ein fester Bestandteil in deutschen Haushalten. Das ehemalige Werksareal in München-Allach ist 85.000 m2groß. Hier entwickelt die Isaria Wohnbau AG unter dem Namen Diamaltpark ein durchmischtes und mit denkmalgeschützten Industriebauten durchsetztes Wohnquartier. Auf Basis eines 2015 entschiedenen städtebaulichen und landschaftsplanerischen Wettbewerbs werden in sechs Bauabschnitten über 720 Wohnungen in drei- bis sechsgeschossiger Bauweise realisiert, davon 120 in Holz-Hybrid-Bauweise. Ein Drittel davon ist geförderter Wohnungsbau. Zusätzlich entstehen drei neue Kindertagesstätten. Die einzelnen Bauabschnitte werden von unterschiedlichen Architekten geplant, um die gestalterische Vielfalt zu sichern. 

Auf dem Areal stehen mehrere denkmalgeschützte Industriebauten, die einer teils öffentlichen, teils privaten Nutzung zugeführt werden und im Verlauf des Projekts an private Investoren verkauft wurden. Die Sanierung der Gebäude findet in enger Abstimmung mit der Denkmalpflege statt. Mit öffentlichen Funktionen wie etwa einem Café werden sie einerseits wieder zu den identitätsstiftenden und an die Geschichte des Ortes erinnernden Elementen des Quartiers. Andererseits aber auch des gesamten Stadtteils, den die Diamaltwerke über 100 Jahre prägten.

Die Geschichte des Ortes und die Nutzung brachten aber auch Probleme mit sich: Die industrielle Vornutzung sorgte für eine Kontamination des Erdreichs. Die östlich angrenzende und vielbefahrene ICE-Trasse München–Nürnberg für eine erhöhte Lärmbelastung.

Ebenso war das dahinter liegende Panzertestgelände von KraussMaffei planerisch zu berücksichtigen. Die Häuserzeilen entlang der Bahnlinie bilden eine Mantelbebauung mit nur wenigen Fensteröffnungen zur Bahnstrecke. Das Quartier öffnet sich nach innen zur Mitte, wo ein öffentlicher Park als zentraler Quartiersplatz entsteht. Die Böden wurden vor Baubeginn dekontaminiert.

holger meyer architektur plant die Bauabschnitte DIA 1 und DIA 2 mit zusammen 310 Wohneinheiten. Vor allem die Auseinandersetzung mit den Besonderheiten der alten Industriebauten, der Identität und Geschichte des Ortes waren ein zentrales Anliegen bei der Planung. Nun entsteht eine lebendige Architektur mit großen Fensteröffnungen und Loft-Styles. Eine Gestaltung, die an die denkmalgeschützten Industriebauten anknüpft und auf den Charakter und die Geschichte des Geländes verweist.

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„Ich bin bei einem großen Frankfurter Baukonzern groß geworden. Mein erster Chef riet mir: ‚Wenn Sie ein Umbauprojekt haben, dann kalkulieren Sie das ganz sauber. Wenn Sie glauben, alles ist fertig, nehmen Sie das Ergebnis mal zwei.‘ Der Eigentümer des Kesselhauses sagte zu mir: ‚Mit meiner Erfahrung heute würde ich sagen, nehmen Sie es lieber mal drei.‘

GERHARD WIRTH